AUFERWECKUNG PERUNS

Zur Rekonstruktion der Ostslawischen heidnischen Religion von L. S. Klejn

Zusammenfassung

Falls wir beiseite alle MutmaBimgen, AnalogieschluBe, indirekte Uber- legungen, Rekonstruktionen lassen und zum Ausgangsmaterial, zu Quellen sich wenden, dann erweist sich, dafi die ruinierende Zeit und das siegreiche Christentum tiichtig an den slawischen heidnischen Religion gearbeitet haben: die Information iiber Perun, die von uns erhalten ist, bleibt sehr karglich und fragmentarisch. Was ist iiber ostslavischen Gotter erhalten geblieben? Nur etliche Schimptworter, ein Paar kurzer Erzahlungen iiber Aufrichtung und Absturzung der Idole von Perun und anderer Gotter in Kiew und Nowgorod, und noch Eide mit Namen der Gotter in Vertrage mit Byzantiner. GeiBelungen der Abtrunnigen in Predigten der friihen christlichen Glaubenslehrer bringen nur wenige Kenntnisse. Es gibt ahnliche Gotternamen in verwandten Sprachen und wenige Angaben iiber Funktionen dieser Figuren bei verwandten Volker. Die Angaben gehoren nicht so der Mythologie, als den verbundenen mit ihr Kulten. Es gibt keine Mythen von Perun.

Nur mit Renaissance und Erforschung der klassischen Mythologie beginnt in Europa ein Interesse zur vorchristlicen Heimatskultur, die mit klassischen Mustern gegeniibergestellt werden konnte. An Mythologie der verwandten Volker gewendet, wiedergaben polnische Verfasser der XV. und XVI. Jahrhunderte J. Dlugosch und M. Stryjkowski Zeugnisse russischer Chroniken und was sie selbst im Osten horen konnten. In XVII. Jh. dazu Zeugnisse deutscher, englischer und anderer Reisenden nach RuBland hinzugeffigt wurden.

In RuBland begann die Erfosrchung des eigenen Heidentums nur in die Zeit Peters des GroBen (XVIII Jh.), und anfangs wurden die verzerrte Vorstellungen von westlichen Gelehrten entlehnt. Zu Beginn der XIX. Jh. stiitzten sich die Gelehrten immer noch auf spekulative Uberlegungen und herstellten lange Listen von Gotter aus ratselhaften Worter in Sprichworter und Lieder (A. S. Kaissarow, G. Glinka u. a.). Sie wollten die Religion der Vorfahren als eine am meisten angenehme Religion vorstellen, die alle anderen iiberlegen und dem Christentum nah war (P. Stroew, M. Kastorsky, N. Kostomarow, S. M. Solowiew). Slawophilen aber unterstutzten diese Tradition nicht vollig: sie schlugen die Idee der ureigenen Nahe der Slawen zum orthodoxen Monotheismus vor und verneinten insgesamt bei Slawen einen erweiterten Politheismus. Ihrer Meinung nach, waren heidnische Gotter der Chronik nach Rus von Varager gebracht.

Seit Mitte des XIX. Jh. begannen die Forschungen der Komparativisten, die die Verwandtschaft der Gottersystemen von indoeuropaischen Volker festgestellt hatten — das slawische System erwies sich der griechischen, romischen und indischen verwandt. Den ganzen Pantheon began man vom Pantheon des Indoeuropaischen Urvolk herleiten. Im Geiste der solar-mytholo- gischen Schule leiteten sie die anthropomorphen Gotter aus der Verehrung der Naturkrafte und aus poetischen Allegorien her (D. O. Schepping, A. N. Afanasjew). Im Geiste des Difiusionismus erweiterte A. S. Faminzyn die AufFassung der Slawophilen, wahrend N. I. Kareew die sekundare Entstehung des Monotheismus verteidigte. Der Evolutionismus, der in 70en-80en Jahren des XIX. Jh. enstanden wurde, leitete Gottergestalte aus der niederen Demonologie her — aus der Glaube in Gespenste (in RuBland N. F. Sumzow).

Evolutionismus und Diffusionismus wurden in Schaffen von Lubor Niederle and A. N. Vesselowsky geaussert, die hielten, daB die Slawen letztlich keine hohe Mythologie entwickelt hatten und auf der Ebene der Demonologie geblieben waren. Andere Forscher wiesen von anderen Grtinde die Aufbauen der mytholgischen Schule zuriick: sie hoben den Mangel an Fakten hervor und glaubten nicht in die Wahrheitstreue der Hypothesen (W. Jagic, H. Machal, L. Leger, A. Kirpitschnikow).

Im Schaffen der Forscher des Anfangs der XX. Jh. (E. W. Anitschkow, N. M. Galkowsky, V. J. Mansikka) wurde der Skeptizismus iiberholt, und die Analyze der Belehrungen von orthdoxen Glaubenslehrer gegen den Uberbleibsel des Heidentums trat in Vordergrund heraus. Auf die Belehrungen stutzend, entlehnten die Forscher unwillkurlich auch die kirchliche Beurteilung des Heidentums als einer rohen und primitiven Glaube. Anitschkow meinte, daB Rus von kleinen Gottchen wimmelte, wahrend groBe anthropomorphe Gotter entlehnt von Varager waren — hier sttitzte er auf den Aufsatz von S. Rozniecki iiber Perun als angeblich Imitation von Thor.

Polnische Forscher (H. Lowmianski, W. Szafranski, L. Moszynski) namen in der XX. Jh. die Tradition iiber, die Merkmale des Monotheismus im slawischen Heidentum zu verstarken, was vielleicht den EinfluB des Katholizismus spiegelte. Fur sie war Perun nicht einfach der Haptgott, sondern der einzige Gott, die anderen waren nur seine Hypostases.

Im sowjetischen Milieu sperrte der kriegerische Atheismus fur lange Zeit das Eforschen des slawischen Heidentums: der kritische Eifer der Marxisten wandte sich an die Hauptfeinde — das Christentum und Islam. Aber kurz vor den GroBen Patriotischen Krieg in Zusammenhang mit der generellen Forderung des Patriotismus im Lande nahm das Interesse zum Heidentum wieder auf. Da waren vier Auffassungen des slawischen Heidentums geschaffen, und in alien vier wurde das Schwergewicht von den Materialien der Geschichte auf Ethnographie und Archaologie verlagert.

Die erste Auffassung wurde von offiziellen Hauptfiguren der sowjetischen Wissenschaft entwickelt — von Akademiemitglieder B. D. Grekow und Boris A. Rybakow. Nach dieser Konzeption besassen die Slawen seit l^ngem dieselbe Territorien als jetzt und schufen einige Tausende Jahre vor uns Pflugackerbau, Staatsorganisation and entwickelte heidnische Religion, die sehr nah an das Christentum herangekommen war.

Die zweite Auffassung wurde von Prof. Wladimir Propp vorgeschlagen, dem Griinder der sowjetischen Semiotik und Fiihrer des Strukturalismus, der in der Stalinzeit in Ungnade verweilte. Nach dieser Auffassung enthielten russische Kalenderfeste verschiedener Jahreszeiten viele gemeinsame.

Komponente wegen Ahnlichkeit der bauerlichen Haptarbeiten. Und da in diesen Festen es keine entwickelten Gotter gab, nahm Propp an, daB das russische Heidentum sie iiberhaupt nicht hatte — es besitze ein besonders archaische Charakter (wie bei Anitschkow, Niederle und Wesselowsky). Kupalo, Jarilo u. a. sind nur «unterentwickelte Gotter».

Die Ansichten von Propp gaben dem Werke von Dmitrij Selenin, der gerade mit der retrospektiven Methode Demonologie studierte, eine weitere Bedeutung. Selenins I^achfolger war der Akedemiemitglied Nikita I. Tolstoj, ein Urenkel von Leo Tolstoj. Der bildete eine einfluBreiche Schule von Ethnographer und Ethnolinguisten. So entstand eine dritte Konzeption des slawischen Pagantums, die auf die Rekonstruktion der alten slawischen Religion nur mit Materialien von Ethnographie gerichtet war. Selbstverstandlich, konnte solche Art der Forschung auf die vergangene Zeit nur das projezieren, was in der lebendigen Kultur erhalten geblieben war, also keine grossere Gotter. Somit hatten die solidesten professionale Gelehrten die Idee angenommen, daB die alte Slaven nur eine Demonologie (niedere Mythologie) hatten.

Die vierte Auffassung war von Strukturalisten (und schon dadurch Frondierer) Wjatscheslaw Iwanow und Wladimir Toporow gebildet. Sie haben gerade die Namen der slawishen Gotter zugrunde gelegen, sie mit indoeuropaischen Namen, Bezeichnungen und Mythen gegeniibergestellt, und eine entwickelte Mythologie, die von der gemein-indoeuropaischen hergeleitet sein muBte, rekonstruiren begannen (der Grundmythus, der ureigene Streit zwischen Perun und Wolos-Weles). Die Methodik wurde haupsachlich von Levy-Strauss entlehnt, und sie erlaubte solch eine Freiheit des Ineinklang- bringen, daB die Ergebnisse sehr reich geworden wurden, doch verliessen die Beweisfahigkeit. Es gibt keine direkte Beweise des Streits Peruns mit Wolos, und Wolos (zum Unterschied von Weles) ist iiberhaupt ein neuer Gott, eine Umgestaltung des christlichen Heil. Blasius, bulg. Vlas).

Was betrifft Rybakowsche Auffassung, verteilte ich ihr eine ausfiihrliche Kritik, denn seine Werke waren, und tur ein nichtwissenschaftliches Publikum bis jetzt bleiben, die einfluBreichsten. Seine Quellen (denen ganze Kategorien er professional nicht besaB) sind betrachtet, sowie seine Methodik (unglaublich veraltet) und seine Ausfuhrungen (nach heutigen Kriterien haltlose, oft einfach anekdotehafte). Trotz allerdem, das Talent des Akademiemitglieds nach Gebiihr wtirdigt ist, wie auch seine Leistungsfahigkeit und Enthusiasm.

Es ist von Bedeutung, daB seine Werke Ausgangsbasis tur neo-Heiden geworden sind, die seit 70-n immer mehr unter neuen religiosen Bewegungen auffallen sind. Hervorgerufen durch Nationalismus in Bedingungen der Krise der orthdoxen Religion, diese Bewegung hat eigentlich reale Daten iiber alte heidnische Kulte und Brauche ignoriert und neue Kulte und Brauche schaffen begann, zum Teil aus indischen und germanischen Kultpraktik entlehnt und auf Propaganda einer harten urtumlichen Ideologie gerichtet: Hasse zu Fremdstammigen, Raufsucht, Isolationismus und nationalistische Solidaritat. Ekologische Losungen der Gegenwart (Respekt zu Natur) gewinnen bei ihnen eine Form der Absage von Prinzipien und Normen der Zivilisation.

Eine Analyse der echten ost-slawischen Kulten und Mythologie erweist sich als gegenwartig auch daffir, die neo-Heiden im Lichte der Realitat zu sehen.

Fur die Rekonstruktion des ostlawischen Heidentums ist in dieser Arbeit eine neue Quelle geniitzt — die Tschetschenisch-Inguschische (Wainachische) Folklore. In dieser Folklore gibt es eine Figur namens Pir|on, also mit dem Name, der nach seinem Klang sehr nah zum slawischen Name Perun ist. Diese Wainachische Figur wurde von Spezialisten als Umanderung der Pharaogestalt gedeutet («Pir|on» sei eine kaukasische Verzerrung des Wortes «Pharao»). Aber nach seinen Funktionen paBt er nicht zu dieser Rolle: er klettert auf Himmel, donnert, gieBt ein Regen auf die Erde. Das heiBt er stimmt nach seinen Funktionen mit Donnerschleuderer iiberein, mit Perun. Wie aber konnte der in die Wainachische Folklore geraten? In die letzten Jahrhunderten, wenn die Russen nach Kaukasus traten, waren sie schon Christen und hatten keinen Perun in ihrer Mythologie.

Es erweist sich, daB im 8. Jh. AD der arabische Kalif und Feldherr Merwan II. ging mit seinen Truppen vom Siiden Nordkaukasus durch, vertiefte sich in das Chazarische Kaganat, unter anderem kam in das Slawische Territorium (trat dem «Sakaliben-FluB» zu), hatte 20 Tausend Bewohner gefangengenommen, mit sich weggeffihren, und siedelte sie im nordkauka- sischen Land Kacheti, in der Nachbarschaft von Tschetschnja. Von diesen Gefangenen konnten zu Wainachen die Mythen iiber Perun durchdringen. Mit der eigenen Mythologie der Wainachen kollidierend, sollten sie ihre Heiligkeit losen und sich in die Folklore «niedersinken». Also die Erzahlungen iiber Pir|on-Perun — iiber seine Befehle den Frauen, das Wasser aus FaBen zu gieBen, iiber seinen Zusammenhang mit Brot und Mtihle, iiber seine Fiirsorge an Alten und Kinder usw. — konnen als Material fur die Rekonstruktion der slawischen Mythen dienen. Daffir braucht man Analyse der mit dem Material verbundeten slawischen Marchen.

Rybakows Auffassung weist selbst die Moglichkeit der Entlehnung des Namens Perun von Slawen zuriick, denn ffir Rybakow der supreme God der Slawen war Rod, wahrend Perun wiirde nur vom Ftirst Wladimir als ein Gott der Kriegsgefolge eingeffihrt. Aber Vorhandensein der Spure Peruns bei alien slawischen Volker widerlegt solche Begrenzung, und es gab iiberhapt keinen Rod bei Slawen — dies war eine kiinstliche Konstruktion altrussischen Literaten, basiert auf einer Fehllesung der griechischen Texten der christlichen.

Zeit. Die Byzantiner nannten Horoskopen «Genealogien», buchstablich Wissen iiber Geschlect, Generation, oder Geburt. Solche Verbindung mit dem Los, die bei Geburt des Menschen entsteht, war von Ubersetzer als in der Figur von Rod eingekorpert verstanden. Daraus stammt seine enge Verbindung mit Rozhanizen — Jungfern des Schicksals, slawischen Parken.

Perun war nicht nur der Haupgott der Ost-Slawen, sondern moglich eine kurze Zeit deren einzige Gott. In den Chroniken gibt es, wie Lowmianski bemerkte, einige Zeugnisse, daB die andere Gotter des Wladimirschen Pantheons nur eine spate Einffigung eines christlichen Redaktors sind. Das heiBt, daB die erste Religionsreform Wladimirs ein Versuch war, Mono- theismus auf der heidnischen Grundlage einzufuhren. Archaologische Denkmaler, die fur Bestatigung der sechs Gotter des Wladimirschen Pantheons angenommen sind, halten in der Tat keiner Kritik stand. Uberhaupt sind alle heidnische Haupt-Heiligtiimer, die den Slawen zugeschrieben waren (zwei in Kiew, eine in Novgorod und eine in Pskow), unzuverlaBig — in meiner Arbeit ist das durch eine eingehende Analyse, hoffe ich, gezeigt. Aller Wahrscheinlichkeit nach sind sie teils nicht sakrale Denkmaler, teils Reste von Grabhugel.

Zur Bestatigung seines Systems der Gotter mit Rod an der Spitze ffihrte Rybakow den Zbrucz Idol an — einen vierkantigen Obelisk mit Schilderungen einer Anzahl von Figuren. Eine Ausffihrliche Analyze dieses Denkmals zeigt, daB weder die Figuren kann man nicht als Rod und die Gotter des Wladimirschen Pantheons deuten, noch das ganze Denkmal als typisch slawisch. Seiner Zeit nach ist das Denkmal spater, als ostslawisches Heidentum. Seinem Geist nach ist das Denkmal westslawisch mit einem nomadischen EinfluB. Solche Idolen trifft man in dieser Gegend (das Becken des Dnestr) merhmals, und die Geschichte kennt dort west- und siidslawische Stamme, die moglich eine lange Zeit der Christinisation ausgewichen.

Der Logik nach bildeten die Merkmale Peruns von der Funktion des Donnerschleuderer heraus, zum Teil vor langem, noch zur Zeit der gemeinin- doeuropaischen Kultur, zum Teil viel spater. Die friihere Merkmale sind Macht und Kampflust, daraus die Verbindung mit Eiche, Hammeraxt und Pfeile; von der Wirkung auf Ernte und Fruchbarkeit stammt die erotische Sinnlichkeit der Gestalt, von Ackerbau und Fruchtbarkeit die Verbindung mit Frauen.

Untersuchen wir die Kentnisse, die uns die Wainachische Folklore darbietet, und die Entsprechungen der Inhalt jener in der ostslawischen Ethnographie und Folklore.

In Wainachischen Meldungen uber Frauen, die Perun auf Himmel, um Wasser zu gieBen, schickte, sind wahrscheinlich slawische Erzahlungen uber Hexen und Zauberinnen wiederspiegelt — iiber «Wettermacherinnen», wie sie von Detschen gennant wurden, «Blitzhexen». In der Ukraine glaubte man, daB Hexen vom Himmel regen abstehlen konnen und es in Kubeln halten. In der Sammlung Afanasjews Notizen vorgelegt sind, daB Hexen nach Himmel flihen und dort Tonnen rollen (ganz wie in den Tschtschenischen Erzahlungen iiber Frauen Pir|ons), und das Brechen dieser Tonnen schafft Gewitter. In RuBland ist ein Brauch des Tonnenbrechen, um das Regen herauszufordern, erhalten geblieben.

Was denn enthielt sich urspriinglich (der Idee nach) in den brechenden Tonnen? In den russischen Marchen spent man in eine Tonne ungewohnliche Kinder (z. B. Zwillinge) — die vermutliche Kinder von jenseitigen Gespenste — und sie ins Meer driften laBt, und die wuderbare Kinder brechen die Tonne auf und gehen in die Freiheit heraus, wo eine groBe Zukunft sie erwartet. Dieses Motiv nutzte man iiberall in Lebensbeschreibungen der Usurpatoren, um sie zur koniglichen Dynastie anzubinden (Sargon, Perseus). Zugrunde dieses fabelhaften Stoffs liegt ein reales Brauch der Hexepriifung — durch Ertrinken: falls sie wirklich eine Hexe ist, muss sie sich retten. Das Vorhandensein der «Gotteskinder» fuhrte wahrscheinlich zum Ersetzen des Ertrinken durch Exil iiber Wasser, mit FloBung — wie floBte man heilige Gegenstande (z. B. alte Ikonen), die hinfallig geworden wurden. Ertrunkene oder iiber Wasser vertriebene Frauen, die mit Beachten des Gottes aufgezeichnet waren, wurden zu Nixen (russ. Rusalkas).

Nixen in Rus waren Ertrunkene Frauen oder Kinder, die befor Baptisierung starben. Von ihnen, die nicht ihnen gelenkte Zeit gelebt hatten und darum Beleidigung fuhlten, erwartete man Ubel, aber auch Hilfe, weil man sie, die Verwandten oder ehemalige Nachbarinnen, fur eine Art von Hexen, Zauberinnen hielt. Sie sollen Macht iiber Wetter haben (Regen ausfordern) und mit der Eiche, dem Baum Peruns, verbunden sind. Im Brauche des «HerumtMiren der Nixe» oder «Abschied mit Nixe», «Geleit der Nixe» Menschenopfern widerspiegelt wurden, wo die Zauberin oder eine andere Frau zum Gott geschickt wurde — als eine Fiirsprecherin fur Leute aus ihrem Dorf vor dem Gotte.

Manche andere Figuren wurden auch verabschiedet — auf Masleniza (Fastnachtswoche, im friihen Friihling) der Balg «Masleniza», bei Stidslawen Mara oder Marena, auf den Tag Iwans des Taufers (Sommersonnenwende) die Figur «Kupalo», usw. Von Prof. Propp bemerkte Gemeinschaft einer Reihe von Komponenten der Ritus dieser Feste ist sehr wichtig, aber sie ist durch die Gemeinschaft der baiierlichen Arbeiten kaum erklarbar: die Jahreszeiten sind doch verschieden. Aller Wahrscheinlichkeit nach die Gemeinschaft muB durch Herleitung einer Fest von den anderen oder anderer. Die Fastnachtswochenritus, mit Aufheben und Abrollen eines Feuerrads, ist mit der magischen Sicherstellung des Herabsenkens der Sonne vom hochsten Punkt auf der Ekliptik verbindbar und entspricht der Sommersonnenwende, nicht dem Friihlingsaufheben der Sonne zu diesem Punkt. Aber das Feiern desIwans Kupalo, das in der Ukraine und Belorussia erhalten ist, demgegeniiber in eigentlich russischen Landern mit christlichen Fasten verdrangt ist. Bevor Sommerfastenzeit dieses umgesidelte Feiern hat eben Masleniza (Fast- nachtswoche) gebildet, die es in der Ukraine und Belorussia nicht gibt.

AuBer diesem Ritus die Kupalo Fest wird mit Elementen des Kultes Peruns und mit intensiver Sexualitat gefullt: «Kupalo» ist nicht vom Wort «kupati» (baden) gebildet, sondern gehort zum Wortnest «sovokuplenie» (coitus). «Kupalo» ist kein Name, sondern ein Beiname, eine Epiclese Peruns. Noch mehr auBert sich die Erotik in «Jarilki», «Abschied mit Jarilo», was auch verdrangte aus ihrem Platz Brauche desselben Komplex erscheint, und die itiphallische Figur des Jarilo kommt als eine andere Epiclese Peruns (die mit seinen sexualen, paarung- und heiratmachende Funktionen verbunden sind). «Jarilo» ist vom Werb «jariti» («erregen», «aufegeregt werden») gebildet.

Also unter diesen nach Bestand heidnischen, aber spaten Novationen erweist sich die urspriingliche heidnische regelmeBige Fest «Abschied mit Perun», die sein Verderben, seinen Tod markiert und nach Kalenderplatz mit der Sommersonnenwende zusammenfallt. Anscheinend die in der Chronik beschriebene Umsturzung des Idols von Perun (Verpriigeln Idols von zwolf Manner, Beweinung von anderen, FloB iiber Wasser) war in der Tat unver- standene von Chronisten Beschreibung der regelmaBigen Abschied mit Perun zur Zeit der Sommersonnenwende.

Der Gedanke liegt nahe, daB als es den Abschied gab, soli es auch das Emfangen geben — alljahrliche Erscheinung Peruns, sein Geburt. Tatsachlich, im gegeniiberliegenden Punkt der Kalenderskala, auf dem Platz der Wintersonnenwende, gibt es im Volkskalender mehr als eine Woche vollig heidnischer Feste — «Swjatki» (Weinachtszeit bis zum Dreikonigsfest). Bei Siidslawen ist diese Fest mit Verehrung einer Eichenklotz gekennzeichnet, die «Badnjak» genannt ist. Dem Klotz Attribute eines anthropomorphen Gottheit zugeschrieben sind, eines Alten, und gleichzeitig ein junge Bozhic erscheint, dem Name nach, ein Sohn des «Bog» (des Gottes). Bei Russen wurden dann Spiele von «rjazhenye» (Verkleideten) durchgefuhrt, unter denen besonders «Spiele mit Umrun» bemerkbar sind («Umrun» — ein Tote). Ein Tote, der von Verkleideten gespielt wurde, wurde durch ausgesprochen sexuale Handlungen wiederbelebt. Zur Zahl dieser Handlungen gehort Masturbation und Fellatio. Daran wurden Madchen des Dorfes erzwungen. Diese Methode der Belebung und der Verjiingung ist mit der Glaube in heilsame Eigenschaften des mannlichen Samens verbunden. Die Idee selbst der Belebung ist der alten Indoeuropaischen Idee der Sansara verwandt (das zweite Leben auf der Erde, Umsiedlung der Seulen).

Also erscheint Perun eine Gottheit aus der Reihe von sterbenden und auferstehenden Gotter. GemaB dem Zyklus seiner Feste wurde das Jahr bei Ostslawen in zwei Halfte geteilt, ahnlich wie es bei Griechen war, wo das Jahr nach den Festen von Emfangen und Abschied Apollos in Apodemia und Epidemia geteilt wurde. Naturlich, entspechend dem anderen Klimat, fielen die Punkte der Einteilung auf die andere Zeittermine. Den Kultus Peruns, wie auch den Apollos, iibten gerade Frauen und Madchen aus.

Wahrscheinlich, das Vorhandensein des sterbenden und auferstehenden Gottes und sein Primat im slawischen heidnischen Pantheon wirkten in Russland auf den «Wahl der Glauben» — versicherten dem Christentum, mit seinem Auferstanden des Jesus Christ, den Vorzug und erleichterten den Slawen vergleichbar schnellen Emfang der christlichen Religion. Die Hauptmysterie des Christentums war nach ihrem Wesen den Slawen nah und verstandlich.







 

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